Autorin: Edith Wolf Perez

In der Ausstellung “The Electric Body“ im Leopold Museum wird der Beziehung von Medizin und Kunst anhand von Werken von Egon Schiele (1890-1918) und Erwin Dominik Osen (1891-1970) nachgegangen. Werke der Künstler von Gugging sind in der Ausstellung „gugging.! classic & contemporary“, die fünf Jahrzehnte umspannen.

The Electric Body

Die Fokusausstellung „The Electric Body“ innerhalb der Dauerpräsentation „Wien 1900“ bietet einen Blick in die Kontakte, die Künstler damals mit Fachärzten hatten, sowohl als Sammler, als auch als Auftraggeber. 

Im Zentrum stehen Osens Bilder von Patienten, die kürzlich im Nachlass des Elektropathologen und Leiters der neurologischen Abteilung im Garnisonspital II, Stefan Jellinek (1871-1969), entdeckt und vom Leopold Museum erworben wurden. Die Behandlung von „Kriegsneurosen“, die heute als posttraumatische Störungen diagnostiziert werden, wurde im ersten Weltkrieg häufig mit Elektrotherapie behandelt. Osen selbst litt an Neurasthenie, die sich im Grundwehrdienst verstärkt hatte und ihn 1915 zur Behandlung ins Garnisonsspital II brachte. Dort machte er Portraits von Patienten, die der Strombehandlung ausgesetzt waren. Diese Bilder der Männer bringen die Verletzlichkeit und Verunsicherung ungeschminkt zum Ausdruck, löst Osen doch seine „Modelle“ aus der Krankenhausumgebung und konzentriert sich ganz auf ihre nackten Körper, auf ihre deformierten Schädel, ihre verzerrten Muskeln, aber auch auf ihre apathischen oder verstörten Blicke. Lediglich der „Lustknabe“, eine Darstellung, die die Verbindung von diagnostizierter „Nervenschwäche“ mit Homosexualität thematisiert, wird farblich umrahmt.

Ob Osens Bilder im Garnisonsspital Auftragsarbeiten oder Teil seines eigenen Rehabilitationsprogramms waren, ist nicht mehr bestimmbar. Seine 1913 gefertigten Portraits von PatientInnen in der psychiatrischen Klinik Am Steinhof sind hingegen eine Auftragsarbeit, mit der der Arzt Adolf Kronfeld einen Vortrag bebilderte, da er fand, die Zeichnungen sind eine getreuere Darstellung seiner PatientInnen als eine Fotografie. 

In „The Electric Body“ werden Osens Arbeiten, Egon Schieles Bildern von Schwangeren und Neugeborenen an der Entbindungsstation der II. Frauenklinik gegenübergestellt. Der Freundschaft zwischen der beiden Künstler wird ebenfalls nachgegangen, so haben zum Beispiel beide die Tänzerin Mao Mandu auf die Leinwand gebannt.

„The Electric Body” gibt es auch als digitale Ausstellung. (bis 26. September)

www.leopoldmuseum.org

„gugging. classic & contemporary“

Längst sind die Werke der Künstler von Gugging über den klinischen Kontext hinausgewachsen und als Art Brut auf dem Kunstmarkt anerkannt. „gugging. classic & contemporary“ wurde am 6. Mai noch online eröffnet: „Bei dieser neuen Ausstellung war es uns wichtig zu zeigen, was sich im Haus der Künstler und im atelier gugging tut“, sagte Johann Feilacher, künstlerischer Leiter des museum gugging.  Nun ist sie bis 2024 (hoffentlich durchgängig) live zu erleben. Die unglaubliche Vielfalt der Werke macht diese Schau so besonders spannend.

Franz Kamlander „Kuh“ (1995) 
Foto © Art Brut KG

Sei es die kolossalen Frauenbilder von Johann Hauser (1926–1996), die Riesenkühe von Franz Kamlander (1920–1999) oder die androgynen Menschenbilder von Karoline Rosskopf (1911 – unbekannt), sie und ihr Kollegen Oswald Tschirtner, Philipp Schöpke oder August Walla repräsentieren die kreative Bandbreite dieses außergewöhnlichen Künstlerkollektivs. Den „Klassikern“ sind Arbeiten von Zeitgenossen wie Arnold Schmidt (1959) und Leopold Strobl (1960) gegenübergestellt. Seine Arbeiten stoßen bereits auf internationales Echo, zum Beispiel beim Museum of Modern Art in New York City, das bereits Werke von ihm erwarb.

www.museumgugging.at